Vor ein paar Tagen bin ich auf eine Sendung auf DradioWissen aufmerksam geworden, die mich wirklich beschäftigt hat. Warum? Darum ging’s:
Selten hat eine Tarifveränderung für solch eine öffentliche und langanhaltende Debatte gesorgt, wie diese der Telekom: Die geplante Drosselung der Datenflatrate. Kritiker werfen der Telekom vor, die Netzneutralität aushelben zu wollen. Stimmt das? Daniel Fiene und Herr Pähler sprechen darüber mit Philipp Blank (Deutsche Telekom), dem YouTube-Produzenten Christoph Krachten und Timo Hetzel (Bits&so).
Wieder eine Sendung, die sehr schön zeigt, dass die “Netzgemeinde” es nicht schafft klarzumachen, warum ein freies und neutrales Netz so unfassbar wichtig ist.
Was müssen wir tun?
- Einfach und klar beschreiben, worin der Wert eines freien und neutralen Netzes liegt.
- Über all das nicht wieder nur mit Menschen sprechen, die ohnehin der selben Meinung sind. Wir müssen über die Grenzen des Netzes hinaus mit den Menschen diskutieren. Ein Tweet hilft da reichlich wenig. Auch dieser Blogbeitrag nicht.
Was können wir damit erreichen?
- Telekomkunden wechseln in Scharen zu anderen Providern. Vor allem kündigen viele jetzt gleich sofort, damit diese Kündigungen mit der Drosselung in Zusammenhang gebracht werden können.
- Die Politik regelt das alles gesetzlich. Vorschrift. Fertig. Schluss.
Wenn wir effektiv argumentieren wollen, dann müssen wir uns mit den Argumenten der “Gegenseite” auseinandersetzen. Das passiert meiner Ansicht nach viel zu wenig. Daher habe ich mir nun einmal die Mühe gemacht und ein paar Argumente aus dem Gespräch im Radio herausgeschrieben.
“Bis 2016 ändert sich ja gar nichts.”
Das ist für mich im Wesentlichen ein netter PR-Stunt. Schön unter dem Motto: “Regt euch doch mal nicht so auf, noch passiert ja gar nichts.” Als ob die Drosselung 2016 weniger schlimm wäre. Nein! Sie ist sogar noch viel schlimmer, da wir bis dorthin noch deutlich mehr Daten brauchen werden.
“Das Netz muss ausgebaut werden. Wir haben kein Geld dafür.”
Die Telekom macht pro Quartal etwa 500 Millionen Euro Gewinn. Kein Geld ist also kein Argument.
Doch selbst wenn das zu wenig Geld ist: Sehr viele Kunden würden gerne mehr bezahlen, wenn sie dafür auch wirklich schnelles Netz bekommen könnten.
“Wer mehr nutzt soll auch mehr zahlen. Das ist fair.”
Das ist Kapitalismus. Richtig. Wir müssen uns also fragen, ob uns das Internet so wichtig ist wie z.B. unser Straßennetz. Dort verzichten wir auch auf eine Maut und finanzieren das Straßennetz als Gemeingut. Damit jeder ohne Nachzudenken so viel fahren kann wie er möchte.
“Man kann doch ganz einfach weiteres Highspeedvolumen nachbuchen.”
Es ist nicht klar wie viel das kostet. Dazu kommt die Schere im Kopf. Wenn ich jederzeit darüber nachdenken muss, wie viel Datenvolumen durch ein Klick auf ein Video aufgebraucht wird, ändere ich mein Surfverhalten. Das kann man im Mobilbereich sehr schön beobachten.
“Entertain ist Fernsehen. Kunden zahlen dafür extra.”
Youtube ist auch Fernsehen. Watchever ist auch Fernsehen. Kunden zahlen für die Abos dort auch extra. Das rechtfertigt noch lange nicht verschiedene Service Güteklassen einzuführen.
“Entertain ist ein seperater Datenstream auf der selben Leitung.”
Technisch gesehen ist Entertain nicht “weltweites Internet” im engeren Sinne. Das stimmt. Allerdings kommt es in Sachen Netzneutralität nicht auf die technischen Details an. Die Neutralität setzt auf einer höheren Ebene an: Auf der Ebene der Dienste. Wenn zwei Dienste vom selben Anbieter (egal über welche technische Leitung) unterschiedlich behandelt werden, ist das für mich eine Verletzung der Netzneutralität.
“Managed Services bieten wir diskriminierungsfrei jedem an.”
LOL. Managed Service bedeutet doch gerade, dass bestimmte Dienste bevorzugt werden (da die Daten nicht angerechnet werden). Dabei ist die Bevorzugung des Einen natürlich offensichtlich eine Benachteiligung des Anderen.
Heißt das nun JEDER muss einen Managed Service bei der Telekom beantragen? Wenn jeder das kann, ist dann irgendwann jeder Dienst im Netz eine Managed Service? Wie genau bringt das dann einen Vorteil zum aktuellen Zustand?
“Managed Services kosten erstmal nichts. Wir teilen uns nur den Umsatz.”
Die übliche “Google verdient viel Geld und zahlt nicht fürs Netz” Nummer. Die Telekom will was davon abhaben. Sie wollen also von den Kunden kassieren, die für die Leitung bezahlen und von den Diensteanbietern.
Analog müsste ein Restaurant für jedes Taxi voller Gäste noch einmal den Taxifahrer bezahlen, dafür dass er Kunden dort hin fährt, wo sie wollen.
“Das reguläre Internet nach dem Best-Effort Ansatz ist nicht gut genug.”
Es gibt keinerlei Annahmen dafür, dass ein Problem existiert. Die Backbone Netze haben genügend Kapazitäten.
“Die Umsätze mit Telekommunikation sinken.”
Komisch. Ich gebe jedes Jahr mehr für Telekommunikation aus.
“Wenn wir einfach so die Preise erhöhen, dann verlieren wir die Kunden.”
Klar. Wenn man “einfach so” Preise erhöht. Wenn ich dafür aber einen Mehrwert bekomme (schnellers Netz??), dann ist ein höherer Preis total ok. Momentan habe ich jedoch nicht einmal den Anreiz in einen teureren Tarif zu wechseln, da technisch kein schnelleres Netz hier möglich ist. Ich wäre aber bereit mehr dafür zu bezahlen.
“Die Kunden die mehr Leistunge wollen, werden auch bereit sein dafür mehr zu bezahlen.”
Äh ja. Haben Sie da nicht gerade das Gegenteil behauptet?
“Netzneutralität ist für uns nicht die strikte Gleichbehandlung aller Datenpakete.”
Äh doch, genau das.
“Netzneutralität heißt für uns, dass keine Inhalte oder Dienste diskriminiert werden. Der Kunde soll entscheiden welchen Dienst er wann, wie nutzen will.”
Wie oben schon beschrieben: Managed Service bedeutet doch gerade, dass bestimmte Dienste bevorzugt werden (da die Daten nicht angerechnet werden). Dabei ist die Bevorzugung des Einen natürlich offensichtlich eine Benachteiligung des Anderen. Siehe: Spotify im Mobilfunknetz.
“Das reguläre Internet ist ja nicht weg.”
Naja, wenn ich auf 384kb/s gedrosselt bin, dann ist es aus. Weg. Kaputt. Wie auch immer ihr das gerne nennen wollt.
“Wir haben nie gesagt, dass die Bandbreite für uns teuer ist.”
Dann gibt es doch auch keinen Grund die Bandbreite zu beschränken.
“Wir investieren erst einmal 6 Milliarden in Vectoring.”
Super Idee!! Erst einmal noch mehr Geld in alte Kuper Technologie stecken.
“Wir wollen neuen und kleinen Diensten helfen, weil das unser Geschäftsmodell ist.”
Verstehe. Neue Dienste als Managed Service “anpreisen” und dann über eine Gewinnbeteiligung abkassieren. Was, wenn ihr meine kleinen Dienst nicht haben wollt?
“Wir werden für die Intensivnutzer Pakete anbieten, die für sie interessant sind.”
Das ändert nichts daran, dass ein Großteil der Bevölkerung dann immer noch gedrosselt wird.
“Wir sind ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Es geht hier nicht um die Gesellschaft.”
Stimmt. Zwei Dinge dazu: Wo bleibt die gesellschaftliche Verantwortung? Wenn die Gesellschaft der Telekom egal ist, müssen wir dann “Internet” verstaatlichen?
“Der Wettbewerb ist zu stark. Die Preise fallen und es soll trotzdem alles schneller werden.”
Ja.
“Wasser oder Strom zahlen wir nach Verbrauch. Warum nicht auch Internet?”
Internet ist kein endliches Gut. Wasser ist aufgebraucht. Kohle im Kraftwerk irgendwann auch. Aber Internet? Kann beliebig wachsen.
Zudem kommt hier noch einmal die Sache mit der Schere im Kopf ins Spiel. Man nutzt knappe Güter anders als reichlich verfügbare.
###“Über 90% der Kunden werden niemals an die Grenzen ihres Tarifs kommen.”
Möglich. Dass aber wohl die entscheidenden 10% dieser Gesellschaft ein riesen Problem haben werden und dass das vor allem die jüngeren Menschen sind, seht ihr nicht? Die Jungen sind die Zukunft. Das Internet ist ein wesentlicher Bestandteil der Zukunft.
“Wenn die Kunden mit den Drosselungen im Mobilfunkbereich nicht zufrieden wäre, dann würden sie doch den Anbieter wechseln.”
Wenn der Markt funktionieren würde und wir Tarife ohne Drosselung hätten: Sicher. Super, dass dieser “Markt” das alles so wunderbar regelt und wir überaus viele Anbieter ohne Drosselung haben.
Warum gibt es die nicht? Weil man mit der künstlichen Verknappung eines Guts hier wunderbar Geld machen kann: Keine zusätzlichen Investitionen, mehr Einnahmen.
“Grundrecht auf Internet geht nur, wenn das Geld für die Unternehmen irgendwo herkommt.”
Stimmt. Man bräuchte so etwas Ähnliches wie die GEZ dafür.
“Auch andere Unternehmen sind gefragt ins Netz zu investieren.”
Ja klar. Warum genau nimmt euch das von der Aufgabe aus?
“Es rechnet sich für uns nicht das Netz auf dem Land auszubauen.”
Stimmt. Die Frage ist hier eben, ob wir es uns gesamtgesellschaftlich leisten können, dass wir einen ganzen Teil der Gesellschaft komplett von all den kulturellen und technischen Entwicklungen abhängen, die im Netz stattfinden. Wir entwickeln uns zur Zwei-Klassen-Gesellschaft, die sich über den Netzzugang definiert.